Boßeln ist der Inbegriff für bodenständiges Brauchtum und Tradition. In Heide – genauer gesagt in Rüsdorf – ist der Boßelsport seit 1906 tief verwurzelt. „Lüch op!“ heißt es vor allem in den Wintermonaten bei den Feldkämpfen gegen benachbarte Vereine.
„Es geht dabei um nicht weniger als die Goldene Kugel“, sagt Christoph Vogler, der seit sieben Jahren als Vereinsvorsitzender fungiert. „Verliert man drei Jahre nacheinander gegen einen Verein, wird diesem auf dem Boßelball im Rahmen einer launigen Rede eine Goldene Kugel überreicht.“ Denn neben dem sportlichen Ehrgeiz sei es vor allem die gute Gemeinschaft, die den Traditionssport für Jung und Alt ausmache.

Gegründet wurde der Verein von 31 Rüsdorfern. Die Aufnahmegebühr für ausschließlich „unbescholtene männliche Erwachsene“ betrug seinerzeit 30 Pfennige. Aktuell sorgen rund 275 Mitglieder dafür, dass die Tradition lebt. „Zehn bis fünfzehn Prozent davon sind aktiv“, erzählt Vogler. Der jährliche Beitrag ist mit 15 Euro für Erwachsene sehr überschaubar, Kinder und Jugendliche sind sogar beitragsfrei. Trainiert wird während der Sommermonate donnerstags ab 17 Uhr auf dem Boßelgelände in der Rüsdorfer Straße. Im Winter treffen sich die Boßler am Samstagmorgen. „Eine echte Jugendsparte gibt es nicht“, sagt Vogler. „Denn es ist in der Stadt nicht einfach, junge Menschen für unseren Sport zu begeistern.“ Eine Jugendarbeit existiert dennoch – und zwar in Form einer Boßel-AG an der Grundschule Hemmingstedt, die von Jugend-Obmann Thies Dohrn geleitet wird. „Über neue Mitglieder, egal welchen Alters, freuen wir uns immer. Unser Boßelverein ist praktisch wie eine zweite Familie“, findet Christoph Vogler. „Wir pflegen eine tolle Gemeinschaft und können uns aufeinander verlassen.“
Neben den sportlichen Aktivitäten gibt es verschiedene andere Veranstaltungen und Aktionen. Festlicher Höhepunkt ist der jährliche Boßelball im Stadttheater mit traditionellem Programm von Sektempfang über Ehrungen, Kaffeetafel und Theaterstück bis hin zum Tanzen auf dem großen Saal. „Dann ist Schapptüch angesagt“, sagt der Vorsitzende. Und plattdeutsch schnacken sowieso. Denn neben der „Ausübung des Heimatspiels Boßeln“ ist die „Hege und Pflege der plattdeutschen Heimatsprache“ fest in der Satzung verankert. Zu den weiteren Veranstaltungen gehören übers Jahr ein Grillfest im Rahmen einer Feldmeisterschaft, zwei Spieleabende, ein vereinsinternes Lotto-/Bingospiel sowie ein Silvester-Boßeln.
„Sportliches Aushängeschild des Vereins ist unser Björn Dohrn“, sagt Vogler. „Bei der Boßel-EM gehörte er – wie bereits 2023 – zur Männermannschaft des Verbandes Schleswig-Holsteinischer Boßler, die die Goldmedaille im Standboßeln gewann.“ Zurzeit trainieren die Rüsdorfer Boßler für die Qualifikation zur Deutschen Meisterschaft in Wesselburen im kommenden Jahr.
Text: Andrea Hanssen, Fotos: Andrea Hanssen / privat